Rück- und Ausblick zum zehnjährigen Bestehen

Rück- und Ausblick zum zehnjährigen Bestehen

Ein Bericht von Lutz Hollermeier über anfängliche Schwierigkeiten, Erfolge und Anerkennung für die Arbeit der Initiative. Sowie ein Ausblick auf die Zukunft.

 

 

Prävention von Radikalisierung und Gewaltbereitschaft in unserer Mitte

 

1. Überblick über die Geschehnisse in Sinning

Ein Bericht in der "Süddeutschen Zeitung" sorgte Anfang 1998 für Unruhe in der Gemeinde Oberhausen, speziell im Ortsteil Sinning: "NPD meldet sich nun aus Oberbayern - Sinning wird zum Stützpunkt rechter Parolen."

Ein Grundbesitzer hatte auf seinem Gelände in Sinning die "Deutsche Stimme", das Zentralorgan der NPD, als Mieter aufgenommen. Er war bekannt als Rechtsextremist und schon lange eine gute Adresse für meist junge Leute, die in gleichgesinnter Gemeinschaft bei ihm Wochenenden verbrachten und u. a. quasi uniformiert durchs Dorf marschierten.

Auch turbulente Gemeinderatssitzungen (es ging um die Nutzungsänderung für die Gebäude auf besagtem Grundstück) und zugesagte Unterstützung vom Landratsamt Neuburg - Schrobenhausen konnten nicht verhindern, dass der Versand von Propagandamaterial jeder Art nun in Sinning organisiert wurde.

In einem Rundbrief an alle Haushalte kostete die "Deutsche Stimme" ihren Erfolg weidlich aus und fühlte sich auch dazu berufen, die Sinninger Bürger über die demokratischen Rechte "aufzuklären". Auch der schon erwähnte Grundstücksbesitzer schalt in einem "offenen Brief an alle Mitbewohner Sinnings" Bürger, die sich negativ äußerten, ganz besonders die Berichterstattung in der "Neuburger Rundschau". Dabei griff er Journalisten namentlich in übelster Weise an. Die Diktion in beiden Schreiben erinnerte in erschreckender Form an längst vergangen geglaubte Zeiten.

2. Auswirkungen auf die Dorfgemeinschaft

Manche Dorfbewohner blieben von allem unberührt, manche verharmlosten alles und einige bewunderten sogar das "soziale Engagement" des Vermieters, der von Einrichtungen auf seinem Anwesen schwadronierte, die die jungen Leute von der Straße wegholen und ihnen Unterhaltung und Geborgenheit bieten sollten. Er sprach von Spielsalon und Aufenthaltsräumen, was die Gemeinde ja versäumt hätte.

Andere wiederum (das Zahlenverhältnis ist naturgemäß nicht greifbar) waren entsetzt über die Entwicklung in ihrem Dorf und wollten sich gar nicht vorstellen, welche Ausmaße das alles annehmen könnte. Die Dorfgemeinschaft war im wahrsten Sinne des Wortes zutiefst gespalten. Man hörte alles von "Die tun uns doch nichts" und "Lasst sie doch" über "Recht hat er" und "Wieso nicht" bis zu "Das lassen wir uns nicht gefallen" und "Wir müssen uns wehren".

42 couragierte Bürger kamen zu einem ersten Treffen zusammen, bei dem sie eine Resolution gegen rechte Machenschaften verfassten, mit ihrem Namen unterzeichneten und in einer Unterschriftenaktion in der gesamten Gemeinde verbreiteten.

Inzwischen organisierte Demonstrationen (auch von beunruhigten Bürgern außerhalb des Gemeindegebietes) trugen natürlich keineswegs zur Beruhigung und zum Dorffrieden bei. Ein zweiter "offener Brief" des o. g. Grundstücksbesitzers mit Journalistenschelte und mit Dank an Bürger, die nicht demonstriert hatten, machte die Spaltung des Dorfes perfekt.

 

3. Ergriffene Maßnahmen

Der zweite "offene Brief', die untragbare Situation im Dorf und das Gefühl, immer wieder reagieren zu müssen, veranlasste die oben genannte Gruppe, einen Verein zu gründen. Bei den Gründungsmitgliedern war die Verunsicherung sehr groß; man wollte auf keinen Fall als Schar von Spinnern und Querulanten ausgegrenzt werden, auf keinen Fall die Gräben im Dorf noch vertiefen, aber auch nicht hinnehmen, dass das bisher so beschauliche und friedliche Dorf zu einem Aufmarschplatz für Rechtsextremisten wird.

Am 08.04.1998 nahmen 39 Bürger ihr Herz in die Hand und gründeten die "SINNINGER INITIATIVE GEGEN RECHTS" , einen parteiübergreifenden und völlig unabhängigen Zusammenschluss.

Für die anfängliche Akzeptanz war wichtig, dass die Gründungsmitglieder allesamt nicht nur unbescholtene, sondem angesehene und in viele Richtungen und bei vielen Vereinen engagierte Bürger waren. Die umfassende Berichterstattung in Zeitung und Femsehen tat ihr Übriges. Kurz darauf brachte eine vielbeachtete Protestkundgebung in Sinning einen großen Zuwachs an Mitgliedern (110). Die Etablierung war gelungen.

 

4. Erfolge

Zu den ersten großen öffentlichkeitswirksamen Erfolgen gehörte, dass sogar der damalige bayerische Justizminister Leeb zu einer Veranstaltung der CSU nach Sinning kam; der Wirbel im Dorf wirkte sich offensichtlich bis nach München aus.

Die Führungsmannschaft der Sinninger Initiative ist sich inzwischen sicher, dass es im Vorfeld dieser Veranstaltung und der damit zusammenhängenden Beachtung in der Öffentlichkeit dem Verfassungsschutz gelungen ist, den oft genannten Hausherrn der "Deutschen Stimme" zu überführen. Bei einer groß angelegten Razzia mit Zielrichtung Kriegswaffen - und Waffengesetz wurde er bald darauf verhaftet und im Herbst des darauffolgenden Jahres zu zwei Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt.

Die "SINNINGER INITIATIVE GEGEN RECHTS" ihrerseits stürzte sich beherzt in ihre Arbeit. Sie hatte sich in ihrer Satzung u. a. die Beobachtung, Eindämmung bzw. Unterbindung rechtsradikaler Aktivitäten und die Information der Öffentlichkeit über derartige Vorgänge zum Ziel gesetzt und wollte zur Erhaltung einer intakten dörflichen Lebensgemeinschaft beitragen. In diesem Sinne entwickelten die mittlerweile 170 Mitglieder eine Fülle von Aktivitäten:

  • Friedliche Demonstrationen (auch Neuburg, Ingolstadt und München)
  • Vorträge mit historischem Hintergrund und Bildungscharakter (Themen wie Rechtsruck, Euthanasie oder Integrationspolitik, aktuelles Lagebild des Rechtsextremismus,Grundprobleme deutscher Integrationspolitik, Extremismus in Bayern u.ä. )
  • Präsentationen von hochwertigen Filmen (z. B . .,Nein!" von Katrin Seybold oder .,Die Brücke" von Bernhard Wicki)
  • Anschub zur Gründung der "Bürgerbewegung für Menschenrechte Neuburg Schrobenhausen", ein von vielen Gruppierungen (auch beiden Kirchen) getragenes großes Bündnis gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit
  • Fahrten zur KZ - Gedenkstätte in Dachau, zu den Dokumentationszentren in Nürnberg und Berchtesgaden, Stadtführung in München auf den Spuren des Nationalsozialismus, Besuch der Synagogen in München und Lauingen, Spurensuche jüdischen Lebens in Nördlingen 
  • Podiumsdiskussion zum NPD - Verbot, Vortrag über Extremismus in Bayern mit Schwerpunkt Islamismus
  • Großes "Rock gegen GewaIt"- Konzert in Neuburg
  • Präsentation der Wanderausstellung des BfV "Demokratie ist verletzlich"
  • Vortrag über Krieg und Kriegsende In Sinning, Ober-und Unterhausen mit Einweihung eines Gedenksteins
  • Ausstellung über "Rassenhygiene" im Dritten Reich
  • Bericht eines Zeitzeugen über seine Erlebnisse in verschiedenen Konzentrationslagern
  • Vortrag über die Musik in der rechten Szene
  • Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung: Was tun gegen zunehmende Gewalt in der rechten Szene

Bis beute zehn KabarettveranstaItungen in Sinning, die das kulturelle Leben im Dorf bereichern sollten und auch sehr gut angenommen wurden

 

Dass schon im Frühjahr 2000 die "Deutsche Stimme" sang- und klanglos Sinnig verließ, ist natürlich nicht das alleinige Verdienst der Sinninger Bürgerinitiative, aber alle Mitglieder sind stolz darauf, weil sie wissen, dass sie großen Anteil daran haben. Stolz sind sie auch, dass es ihnen gelungen ist, sich in der Gemeinschaft der Vereine der Gesamtgemeinde zu integrieren, vollen Stellenwert im Gemeinschaftsleben zu genießen und somit alle Gräben, die anfangs entstanden waren, wieder zuzuschütten.

Der Gipfel der Erfolge ist aber unumstritten die Anerkennung auf unerwartet hoher Ebene: Im November 2006 wurde die "SINNIGER INITIATIVE GEGEN RECHTS" mit der Silberdistel der "Augsburger Allgemeinen" ausgezeichnet und in einem Artikel auf der dritten Seite (ca. 1,1 Mio Leser) als "Die Widerstandskämpfer - ein ganz normaler Verein" vorgestellt und damit überregional geehrt. Das gibt dem Vorstand und den Mitgliedem der Initiative natürlich einen gewaltigen Schub in ihrer Motivation, weiter zu wirken und in ihrer Zielsetzung auszustrahlen.

Über uns

Die Sinninger Initiative Gegen Rechts ist eine Vereinigung Sinninger Bürger und Unterstützer, die sich gegen rechte Umtriebe und für mehr Toleranz einsetzt.

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